Wie ich den Brand
der Rütt-Arena erlebte.
Von Walter Rütt
Das war ein aufregender Tag, der 3. Mai 1931. Schon um 10 Uhr vormittags war ich auf der Bahn, um zum ersten Male in diesem Jahre meine Trainingsschule zu leiten. Wunderbares Wetter, eifrige Schüler, neue Gesichter, alte Bekannte, alle wollen es in diesem Jahr schaffen und tüchtige Fahrer werden. Früher als sonst werden die Rennen abgebrochen, denn bei einer Polizeihund-Vorführung eines Vereins wollte man im Innenraum ein paar Hunde über Hürden springen lassen. Um die Mittagszeit wird es ruhig auf der Bahn.
Die Zuschauer haben sich zerstreut, die Fahrer eilen zum Mittagessen, auch die Hunde hörte man nicht mehr. Nur ein paar Bekannte sind noch auf der Bahn. Man isst zu Mittag, Besuch kommt, alles ist friedlich und freut sich des schönen Wetters. Aber im Freien kann man den Kaffee doch nicht einnehmen, denn es ist zu windig. So sitzen wir in meinem alten, ausrangierten Eisenbahnwaggon.
Jemand schlägt eine Partie Schach vor, man beginnt zu spielen. Dann kommt der Zeppelin, aber er hat schwer gegen den starken Wind anzukämpfen. Das Luftschiff ist längst unseren Blicken entschwunden, da kommt jemand vom Kabinenhof gerannt: "Schnell, schnell, hinter der Kurve brennt es." So schnell mich meine Beine tragen können, laufe ich zum Kabinenhof, sehe aus dem Materialschuppen Rauch aufsteigen und zwischen den Bretterspalten auch das Feuer. Schnell zum Telefon, 20 Schritte, und die Feuerwehr alarmiert, zurück zur Brandstelle. Etwa sechs junge Männer bemühen sich, mit Eimern aus der fünf Schritte entfernten Wasserleitung Wasser auf den Brandherd zu schütten. Wir müssen in den Raum hinein, denn dort liegen die Feuerlöschgeräte zum Anschluss an den nächsten Oberflur-Hydranten.
Überschrift eines Artikels in der Zeitschrift
"Illustrierter Radrennsport"
Jemand schlägt mit einem Beilhieb die Tür auf, aber dadurch bekommt das Feuer, das schon einige Stunden geschwelt haben musste, plötzlich Luft, eine große Stichflamme schießt heraus und augenblicklich prasselt das Feuer los, das bislang eingeschlossen war. Wie wild verbreitete es sich nach allen Seiten. Die Hitze wird im Moment so groß, dass wir flüchten mussten. Ein weiteres Nähern zur Brandstelle ist unmöglich geworden. Die Feuerwehr muss ja jeden Moment kommen, man hört sie ja schon. Ich starre auf den Eingang der Rennbahn, wo sie jeden Moment einfahren muss, aber von da kommt sie nicht.
Die Feuerwehrleute rennen vielmehr vom Nachbargrundstück herüber und legen auf einem mehr als umständlichen Wege einen Schlauch von mehreren hundert Metern. Als es endlich Wasser gibt, hat der Kabinenhof Feuer gefangen. Der starke Wind begünstigt die schnelle Ausdehnung des Feuers. Es wird erhöhter Alarm gegeben und nun stellt es sich leider heraus, dass die nächste, an einen anderen Hydranten angeschlossene Dampfspritze nicht genügend Wasser gibt, weil die erste Pumpe der zweiten alles Wasser nimmt. Vom Kabinenhof greift das Feuer auf das Restaurant über, die großen Toilettenräume fangen Feuer, die Kurve brennt lichterloh. Und kein Tropfen Wasser!
Dieses Foto erschien großformatig in einer Tageszeitung in den USA. In der Bildunterschrift machte man sich darüber lustig, dass der Kameramann eher an der Unglücksstelle war als die Feuerwehr.
Schließlich brennt die Tribüne, die dahinter stehende Restaurationshalle. Endlich kommt die Feuerwehr von der anderen Seite und innerhalb weniger Minuten ist das Feuer zum Stillstand gekommen. Bis dahin war über eine Stunde vergangen, waren 14 Kilometer Schlauchleitung verlegt worden. Die Wehr konnte leider die Oberflur-Hydranten der Rennbahn, von denen drei um die Bahn stehen und deren Anlage sehr teuer war, nicht benutzen, weil die Motorenspritze das ganze Wasser von dieser Ringleitung wegnahm. Nur dadurch konnte das Feuer diese Ausdehnung nehmen.
Die deutsche Baupolizei und das Brandwesen sind auf Holzbahnen nie gut zu sprechen gewesen. Nach dem Brande konnte man die sehr interessante Feststellung machen, dass die eigentliche Rennbahn, also die Fahrfläche, verhältnismäßig wenig Schaden gelitten hatte. 40 Meter an der Längsseite dicht an der vollständig ausgebrannten Tribüne sind ganz und gar unversehrt geblieben. Die eng aneinander gefügten Latten wirkten wie ein Riesenbrett, nirgends hatte das Feuer eine Angriffsfläche und während die dicht an der Fahrfläche stehenden riesigen Tribünenpfeiler vollständig verkohlt am Boden liegen, ist nur die erste Latte der Fahrfläche ein wenig angekohlt.
Damit ist also bewiesen, dass eigentliche Holz-Fahrbahnen durch Funken von Schrittmachermaschinen oder Explodieren des Benzintanks nur sehr schwer Feuer fangen. Noch eine traurige Begleiterscheinung zeigt dieses Feuer. Gleich in der ersten Nacht wurde gestohlen, was nur zu stehlen war, dem Gastwirt die Konserven aus dem Keller, mir eine Gartenbank, ein Riesenreklameschirm, dem Bahnwärter verschiedene Gegenstände und fünf junge Leute wurden dabei ertappt, als sie um 5 Uhr morgens beim Schein einer Laterne unbrauchbar gewordene Rennmaschinenteile teilen wollten.
Sie hatten das absolut Unbrauchbarste gestohlen, aber sie hatten gestohlen und werden ihrer Strafe nicht entgehen. Über die Entstehung des Feuers ist man zur Stunde noch nicht im Klaren. Die größte Wahrscheinlichkeit ist die, dass ein schwerer Mantel durch Zigarettenreste oder durch Benutzung eines Revolvers zu glimmen angefangen hat und dieser Mantel dann in den Materialschuppen gehängt wurde. Die polizeilichen Vernehmungen sind noch nicht beendet.
Hinweis
Der Bericht erschien kurz nach dem Brand im Magazin "Illustrierter Radrennsport". Der Text wurde ohne Korrekturen übernommen. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde die Anzahl der Absätze gegenüber dem Originalabdruck vergrößert.
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