Die letzte Runde

Während des Ersten Weltkriegs arbeitete Walter Rütt im Dienstrang eines Unteroffiziers als Ausbilder für Kraftradfahrer in der Kaserne in Langwitz. Er bestritt weiterhin sehr erfolgreich Fliegerrennen, so verbuchte er 1914 bei 53 Starts 51 Siege.

1918 wurde die Ehe mit seiner Frau Charlotte, aus der auch ein zweiter Sohn namens Orla hervorgegangen war, geschieden. Charlotte Rütt ging zurück in ihre alte Heimat Dänemark und eröffnete gemeinsam mit ihrer Mutter sowie ihrem Bruder Orla in Kopenhagen das "Restaurant Nord".

Ovationen im Madison Square Garden

1921 erhielt Walter Rütt gemeinsam mit Willy Lorenz noch einmal einen Vertrag für das New Yorker Sechstagerennen. Die "New York Times" schrieb über die Verpflichtung: "Walter Rütt, der Veteran dieser Mannschaft, ist wahrscheinlich der größte Sechstagefahrer, der jemals aus Europa in die Vereinigten Staaten kam und viele halten ihn für den besten Sechstagefahrer in der Geschichte des Sports."

 Am Eröffnungsabend wartete er in den Katakomben des Madison Square Garden nervös auf den Aufruf zur Vorstellung der Fahrer. Wie würden die Amerikaner wenige Jahre nach dem Ersten Weltkrieg auf die Anwesenheit eines Deutschen reagieren, der hier ein Jahrzehnt zuvor für Furore gesorgt hatte? Walter Rütt befürchtete, gnadenlos ausgepfiffen zu werden, aber er sollte sich getäuscht haben. Als er die Stufen zum Fahrerlager hinaufstieg und  die Zuschauer ihn erblickten, erhob sich ein unbeschreiblicher Jubel. Seit Jahren war kein anderer Sechstagefahrer im "Garden" mit derartigen Ovationen empfangen worden.

Karikatur von Howard Freeman

Karikatur: Howard Freeman

Zeitungsfoto Frankreich 1915


Die französische Zeitung "Le Mirroir" berichtete im Rahmen ihrer Kriegsberichterstattung am 3. September 1915 unter Verwendung dieses Fotos über Walter Rütts Tätigkeit als Ausbilder für Kradfahrer. Sie würdigte jedoch auch seine sportlichen Erfolge und verwies auf sein hohes Ansehen in Frankreich.
1916 wurde er in verschiedenen französischen Zeitungen irrtümlich für tot erklärt, da man annahm, er habe in einem Flugzeug gesessen, das im Zuge von Kampfhandlungen abgeschossen w
urde.

Der Abschied

1925 wurde er an der Seite von Emile Aerts nochmals Sieger des Berliner Sechstagerennens. Seine 25jährige Tätigkeit als Berufsfahrer hatte ihn in 13 europäische Länder, zweimal nach Australien und neunmal in die USA geführt. Auf den Radrennbahnen der Welt hatte er in ungezählten Rennen nicht nur 933 Siege, sondern auch 173 schwere Stürze zu verzeichnen. Zu den Verletzungen, die er sich dabei zuzog, zählten ein Schädelbasisbruch, zwei Schädelbrüche, neun Gehirnerschütterungen teils schwerer Natur, 17 verschiedene Knochenbrüche sowie zahllose Riss- und Schürfwunden.

Mit 42 Jahren hängte Walter Rütt sein Rennrad an den Nagel. Am 12. Januar 1926 fuhr er beim Fest der Sportpresse im Berliner Sportpalast seine Abschiedsrunde, wobei der finale Spurt von seinem Sohn Oskar angezogen wurde, der ebenfalls Berufsrennfahrer geworden war

Der "Illustrierte Radrennsport" kommentierte den Abend mit den Worten: "Noch einmal tauchten vergangene Zeiten vor uns auf, als der alte Weltmeister zum letzten Male die Bahn umkreiste. Noch einmal konnten wir die enorme Geschwindigkeit des Rheinländers bewundern, als er die letzte Runde in 11,1 Sekunden zurücklegte. So manches Auge füllte sich mit Tränen, ein Stück Geschichte des Deutschen Radrennsports wurde hier zu Grabe getragen."

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