Der Rütt-Arena zur Weihe
Von Erich Kroner
Heute tut sich was in Berlin !
Vater und Mutter im Festtagskleide,
Braut und Bräutigam sieht man ziehn,
Kind und Kegel zur Hasenheide,
Autos, Motorräder ohne Zahl,
Und dann gibt's 'nen Sturm auf die Kassen -
Schließlich ums wimpelgeschmückte Oval
Unübersehbare Menschenmassen !
Weihereden, Fanfarenklang -
Dreifach "All Heil" der neuen Stätte -
Abfahren - Schuß - und schon wird lang
Bunter Gestalten blinkende Kette.
Fäuste tief um den Lenker gekrampft,
Surrende Räder, glitzernde Speichen,
Hui, wie das fliegt, wie das keucht, wie das stampft !
Heute will keiner dem andern weichen !
Tiefer die Schädel, die Rücken gekrümmt,
Stahlhart die Blicke, die Muskeln sich spannen;
Sieh, wie der Schwarze die Kurve nimmt -
Schrei durch die Menge - da jagt er von dannen !
Höllischer Spurt - halte aus, halte aus !
Schon winkt der Lorbeer ! Du mußt ihn erringen !
Heute kommst Du als Sieger nach Haus -
Toben und Brausen - Der Glocke Erklingen -
"Feste" und "Los" - da ist schon das Ziel -
Hinter ihm jagt die verzweifelte Meute -
Jubel der Menge - er hört nicht viel -
Letzte Kraft - und sein ist die Beute !
Erster Sieg auf der neuen Bahn !
Jeder will seinen Namenn kennen !
Wer war das ? Lorenz, Tietz oder Hahn -
Runnde - Tusch -das nächste Rennen !
So geht das weiter ohn' Unterlaß,
Und ein bunter Film folgt dem andern -
Schließlich sieht man vor Aufregung blaß
Alle zufrieden nach Hause wandern,
Braut und Bräutigam sieht man ziehn,
Vater und Mutter im Festtagskleide
Heimwärts zum Sündenbabel Berlin
Sämtlich vom Sport in der Hasenheide.
Wenn uns dann in unserem Pfühl
Süße Träume uns sachte umgaukeln,
Sehen wir immer noch übers Ziel
Miethe und Koch hinter Gottfried schaukeln,
Und wir geloben im Stillen dem Mann,
Der uns so köstliche Stunden geboten,
Daß er auf uns immer zählen kann,
Bis wir einst eingehn ins Reich der Toten,
Denn er sorgte mit Meisterhand
Wie ein Zauberer, daß aus der Erde,
Altem märkischen Wüstensand
Neue tragende Scholle werde
Die er nun hegen und pflegen muß
Für das Wohl der neuen Geschlechter
Schirmen gegen Haß und Verdruß
Aller der Lebensfreude Verächter.
Nur dem Mutigen lächelt das Glück
Und wer wagt, nur der kann gewinnen !
Schreckst Du vor keiner Unbill zurück,
Fliehen die bösen Sorgen von hinnen !
Zetern und Schreien war glücklich vergebens
Alter Tanten, bebrillter Magister,
Und es siegte der Frohsinn des Lebens
Ueber die grauen , bezopften Philister !
Alles, was lange währet, wird gut !
Schließlich und endlich siegt doch die Tugend,
Und so schwenken wir freudig den Hut,
Denn die Zukunft gehört der Jugend !
Jugend, ströme herbei zu Hauf' !
Zu der heutigen Festesweihe
Gib es ihr mit auf den Lebenslauf :
Rütt-Arena, blühe, gedeihe !
Hinweis:
Quelle: "Illustrierter Radrennsport"
Nummer 26 vom 27. Juni 1926
Der Text wurde ohne Korrekturen übernommen.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit
wurde die Anzahl der Absätze
gegenüber dem Originalabdruck vergrößert.
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